Slice of Sea review on Indieplanet.de
October 23, 2022
Slice of Sea im Test (PC): Seegang ohne Reiseführer.
Mateusz Skutnik bringt mit Slice of Sea eine salzige Brise auf den heimischen Computerbildschirm. Wir haben das handgezeichnete Point-and-Click-Adventure getestet. Hier unser Urteil!
Wir haben Slice of Sea schon im Februar in die zehn vielversprechendsten Point&Clicks des Jahres 2021 aufgenommen. Damit dürfte die Frage nach dem Genre geklärt sein.
Doch worum geht es eigentlich in dem Abenteuer von Solo-Entwickler Mateusz Skutnik? Diese einfache Frage ist nicht ganz so einfach zu beantworten, denn Slice of Sea verzichtet vollständig auf Worte und Erklärungen.
Wir werden recht unvermittelt ins Geschehen geworfen und machen uns direkt auf den Weg. Jegliche Schrift erinnert an ägyptische Hieroglyphen, sodass die Spielenden bei der Deutung des Geschehens auf sich selbst gestellt sind. Nur die Items sind mit Namen beschriftet. Dass Slice of Sea auch auf Deutsch spielbar ist, bietet also nur einen kleinen Vorteil.
Das Werk eines kreativen Geistes.
Die Beschreibung, die auf Steam zu lesen ist, verrät uns, dass der Protagonist Seaweed sich außerhalb seiner eigentlichen Heimat aufhält. Nicht weiter überraschend, da es sich bei Seaweed um einen laufenden Seetang handelt. Seaweed trägt einen metallenen Anzug, aus dem nur sein Kopf mit den Seetangblättern herausragt.
So gegen seine staubtrockene Umgebung gerüstet, macht er sich auf dem Weg zurück nach Hause. Dabei durchquert er eine ebenso fantastische wie dystopische Welt, die von verfallenen Bauwerken, antiken Ruinen und alter Technik nur so wimmelt. Gigantische Kreaturen durchschweben oder durchwandern den Hintergrund und erschaffen eine Atmosphäre voller majestätischer Melancholie.
Slice of Sea ist komplett auf Papier handgezeichnet. Für die Outlines benutzt Comiczeichner und Entwickler Mateusz Skutnik Tusche, für Hintergründe und Kolorierung kommen Wasserfarben zum Einsatz. So schafft er einen einzigartigen Stil, der durch seinen Detailreichtum und die meergrünen Farben besticht.
Die Umgebungen, die Seaweed durchquert, besitzen alle drei Ebenen: einen Bildvordergrund, in dem Items liegen können; eine Ebene, auf der Seaweed sich hin- und herbewegt und einen Hintergrund, in dem sich die fernen Bauwerke und wandernden Gestalten befinden.
Ein Schritt vorwärts, eine Schnellreise zurück.
Die Steuerung gestaltet sich denkbar simpel: dank Tastatursteuerung kann die Maus frei zur Erkundung des Bildschirms eingesetzt werden. Dabei werden Items eingesammelt, die automatisch in einem unbegrenzten Inventar landen.
Außerdem müssen Maschinen aktiviert, Schalter betätigt und Gegenstände bewegt werden. Das funktioniert zwar intuitiv, es gibt aber keine Möglichkeit, sich die interaktiven Spots anzeigen zu lassen. So haben wir das eine oder andere Mal einen Gegenstand oder ein Rätsel übersehen und mussten umkehren.
Dank eines praktischen Schnellreisesystems mussten wir dabei keine Wanderungen unternehmen, sondern konnten den nächsten Portalstein aufsuchen und zu einem der anderen Portalsteine springen. Das erleichtert das Backtracking, das einen elementaren Bestandteil des Gameplays darstellt.
Immer wieder erhalten wir einen Gegenstand, der uns an einen bereits besuchten Ort zurückführt und dort eine neue Tür öffnet – sprichwörtlich oder tatsächlich. Nicht immer ist direkt ersichtlich, was genau für einen Fortschritt benötigt wird, aber wer die Augen offenhält, kann sich die Zusammenhänge herleiten.
Wahrhaft ein Puzzle-Adventure.
Jene Rätsel bilden das Herzstück von Slice of Sea. Es wird uns Spielerinnen und Spielern selbst überlassen, sie uns zu erschließen. Das kann durchaus herausfordernd sein. Wir haben uns oft den Kopf zerbrochen, wo jenes spezielle Item hingehören könnte, an welcher Ecke wir einen Hinweis übersehen haben oder wo sich das letzte Puzzlestück befinden könnte.
Grundsätzlich funktionieren die Rätsel alle ähnlich. Seaweed setzt Technologie wieder in Gang, die, wenn aktiviert, hellblau aufleuchtet. Viele Türen öffnen sich erst, wenn alle Mechanismen aktiv sind, sodass wir mehrere Bälle gleichzeitig in der Luft halten.
Audiovisuelles Feedback hilft uns, zu erkennen, ob wir uns auf dem richtigen Weg befinden, aber bereits zu einem frühen Zeitpunkt wird ein Notizblock unerlässlich, um die überall verstreuten Hinweise zu notieren – selbst, wenn ihr Zweck noch nicht enthüllt wurde. Denn ein Hinweissystem gibt es nicht, ein Aspekt, der sich gerade für Anfänger als zeitraubend herausstellen dürfte.
Zu den Schwächen von Slice of Sea zählt nicht nur die Kennzeichnung von Interaktionsmöglichkeiten, die leicht zu übersehen sind, sondern auch die von Durchgängen. Es ist öfter passiert, dass wir einen Durchgang und damit ein ganzes Areal übersehen haben, das zur Lösung der Rätsel notwendig war.
Das ist darauf zurückzuführen, dass Seaweed nicht nur nach rechts und links, sondern auch in die Hintergrundebene hineinlaufen kann. Diese Passagen sind nicht immer eindeutig zu erkennen.
Fazit.
Slice of Sea ist ein Point&Click der alten Schule im modernen Gewand. Mateusz Skutnik versteht es meisterhaft, die Puzzle-Elemente miteinander zu verweben und damit unsere Gehirnwindungen zu verknoten. Dabei werden wir nicht mit Tipps verwöhnt.
Wir empfehlen, bei völliger Ratlosigkeit einen Guide zurate zu ziehen, um keinen Frust aufkommen zu lassen. Für den ist in das entspannte Adventure einfach zu friedlich. Atmosphärische Musik, die von Thumpmonks und Cat Jahnke erschaffen wurde, lässt uns tief in diese Welt voller wunderlicher Bewohner und verfallender Zivilisation eintauchen.
Wir hätten uns mehr Interaktionsmöglichkeiten mit nicht lösungsrelevanten Gegenständen und Personen gewünscht, um dem Protagonisten noch mehr Leben einzuhauchen. So verschwindet die rudimentäre Handlung vollständig hinter den Rätseln.
7/10
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